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Antico e Primitivo Rito di Memphis e Misraïm
       Sovrano Santuario Italiano

ALTER UND URSPRÜNGLICHER RITUS VON MEMPHIS UND MISRAÏM
Souveränes Italienisches Heiligtum

          UNIVERSELLE  FREIMAUREI                                                                                      GROSSORIENT  VON  ITALIEN

VORWORT

Geliebte Brüder,
wir haben das vorliegende Büchlein verfasst, um die Zielsetzungen, die Tätigkeit und  die Entwicklung des Alten und Ursprünglichen Ritus von Memphis und Misraïm vorzustellen und zu erläutern. Dieser Ritus unterliegt jener Gemeinschaft der italienischen Freimaurerei, die seit dem 24. April 1879 Grossorient von Italien heisst.
Durch diese Veröffentlichung versuchen wir, möglichst verlässliche und nützliche Informationen jenen Meistern zu erteilen, welche einen ersten Kontakt mit uns aufnehmen möchten, welche die in unseren rituellen Kammern behandelten Themen, die von unserem ehrwürdigen Ritus vorgeschlagene philosophische Leiter kennenlernen wollen. Dazu versuchen wir, in grossen Zügen Anhaltspunkte jenen zu geben, die sich für unseren geschichtlichen Werdegang interessieren.
In den letzten zwanzig Jahren  ist der Alte und Ursprüngliche Ritus von Memphis und Misraïm zweifellos eine sehr interessante Erscheinung in der Umwelt der italienischen Freimaurerei geworden. Einerseits hat er in vielen Brüdern Meistern eine grosse Begeisterung entfacht; anderseits hat er auch -wir müssen es leider gestehen- Reaktionen hervorgerufen, die alles eher als brüderlich sind.
Wir wünschen jedenfalls, dass die Brüder Meister durch dieses Büchlein verstehen, welche die überlieferten, wesentlichen Grundzüge sind, welche den Alten Ursprünglichen Ritus von Memphis und Misraïm von den anderen freimaurerischen Riten in der Form und im Inhalt unterscheiden.
Wir versuchen zusammenfassend darzustellen, welche Hilfsmittel, Vorschläge und operative Tätigkeiten unser ehrwürdiger Ritus den Brüdern Meistern zu bieten hat, damit sie mit vermehrter Kraft alle Fähigkeiten und geistigen Tugenden entwickeln können, die jeder Freimaurermeister haben sollte, um in sich die echte “innere Verfassung” eines Eingeweihten zu verwirklichen.
Wir sind voll bewusst, dass dieser “Weg” ungemein schwierig und voll Hindernisse ist; aber die Hilfe von Oben und die brüderliche Liebe und Solidarität werden manchen Brüdern ermöglichen, die tragenden Säulen des universellen freimaurerischen Ziels zu begreifen.
Wir möchten hier unterstreichen, dass das Denken und Wirken der Freimaurerei ihre Grundlagen in der aufmerksamen und tiefgreifenden Betrachtung der Natur haben. Die Natur, unsere Mutter und Lehrerin, zeigt uns seit jeher den richtigen Weg, der zur Entdeckung ihrer Geheimnisse führt.
Die alchemisch-hermetische Tradition hilft uns, durch den Spruch “Solve et coagula” das im pulsierenden Leben verborgene Geheimnis der Geheimnisse aufzuspüren.
Wenn wir ständig beobachten, wie im Lauf der Jahreszeiten aus der Knospe die Blume, aus der Blume die Frucht entsteht, wenn wir mit Demut und Ehrlichkeit die Wahrheit suchen, werden wir immer stärker zum Bewusstein kommen, dass hinter dem “Phänomen” ein “Noumenon” steht.
Das Ziel des Eingeweihten ist also zur Kenntnis und zur Beherrschung der verborgenen Dynamik des universellen und ewigen Gesetzes von Ursache und Wirkung zu gelangen.
Jenen, die sich unserem ehrwürdigen Ritus nähern, brauchen wir nichts Weiteres zu sagen. Wir wünschen ihnen, dass das Licht der Stärke, der Schönheit und der Weisheit ihr Wesen durchdringen möge, dass die Krone von Osiris sich auf ihrem Haupt legen möge.


Der Souveräne Grossmeister,
Grosskomtur, Grosshyerophant
Giancarlo Seri 33:. 90:. 97:.

  

 

DER ALTE UND URSPRÜNGLICHE
RITUS VON MEMPHIS UND MISRAÏM


Figura: Der Tierkreis im
Tempel von Dendera
Eine notwendige Vorbemerkung: die esoterische Arbeit in der Freimaurerei

Die Freimaurerei bewahrt am besten was im Abendland von den überlieferten initiatischen Orden
übriggeblienen ist.

ORDEN heissen sie, weil sie auf die Rangordnung der Werte beruhen, die persönliche Entwicklungsstufe jedes Einzelnen berücksichtigen; diese ist nach dem Wissensdrang und nach der daraus folgenden Verhaltensweise mit den Brüdern und den Profanen festsstellbar.

INITIATISCH sind die Orden, weil sie die Einweihung voraussetzen; sie sind ein moralisches und spirituelles Band, das “jenseits der Türen und jenseits des Schleiers” alle früheren, lebenden und zukünftigen Brüder in die Liebeskette einfügen.

ÜBERLIEFERT sind die Orden, weil sie das Kulturerbe der Menschheit und die Geistesschätze bewahrt haben, die aus den Erfahrungen von Menschen stammen, die seit urdenklichen Zeiten dem Tod getrotzt, das Prinzip der “Rettung”, der “Erleuchtung”, der “Freiheit erfasst haben. In ununterbrochener Überlieferung haben die Eingeweihten ihr Wissen bis zu unseren Tagen weitergegeben, damit wir es unverändert den folgenden Generationen weiter übermitteln können. Wir hoffen, dass ihre Botschaft auf einen fruchtbaren Boden fällt und gedeiht, um die natürliche Entwicklung der Menschheit zu fördern.


Figura: “Diagramm des Baums”, nach dem
“Liber de ascensu et descensu intellectus”
 von Raimundus Lullus.

Der überlieferte initiatische Orden hält sich an die Symbolik in der Belehrung und an die Esoterik in der “königlichen Kunst”, das heisst in seiner Tätigkeit. Der Alte und Ursprüngliche Ritus von Memphis und Misraïm stellt einen massgebenden Verwahrer der freimaurerischen Tradition dar, die im Abendland vom “Grossorient von Italien” weitervermittelt wird.

In der Freimaurerei ist oft die Rede von initiatischer Arbeit, von Esoterik, von Spiritualität. Aber in den modernen Logen beschränkt sich meistens die eigentliche initiatische Arbeit auf die rituelle Eröffnung und Schliessung der Arbeiten und höchstens auf die Lesung irgendeiner Zeichnung. Jeder wird zugeben, dass eine echte initiatische Arbeit sich nicht begnügen kann, zweimal im Monat der rituellen Eröffnung und Schliessug der Arbeiten und einem wenn auch gelehrten Vortrag beizuwohnen,

Deswegen nimmt sich der Ritus von Memphis und Misaraïm vor, eine richtige und echte esoterische Arbeit ins Leben zu rufen, die mit den Zielen der Freimaurerei abgestimmt ist. Unser Ritus bezieht sich auf das geistige und esoterische Wesen der Freimaurerei und bezweckt mit ihrer Tätigkeit die Erhaltung, die Wahrung, die geistige Integrität der Freimaurerei. In der Spiritualität ist der Verstand unerlässlich, aber er soll den Geist unterstützen, ohne ihn zu unterdrücken.


 Figure: Ägyptische Initiation der hohen Grade:
Osiris leitet die “Übertragung der Haut”

VORSTELLUNG DES RITUS

Die italienische Freimaurerei arbeitet in den unteren drei Graden gewöhnlich nach dem schottischen Ritus und manchmal nach dem sogenannten Emulation-Ritus. Der Grossorient von Italien erlaubt den Brüdern Meistern ihr esoterisches Wissen in einigen Riten zu vertiefen, mit denen er eine Übereinkunft erarbeitet hat.

Unter diesen anerkannten Riten hat der Freimaurerische Morgenländische Orden des Alten und Ursprünglichen Ritus von Memphis und Mirsraïm (A:.U:.R:.M:.M:.) die Sprache und die symbolischen Darstellungen aufbewahrt, die eng mit der Lehre der jahrhundertealten initiatischen freimaurerischen Tradition des antiken Ägyptens übereinstimmen.
In der initiatischen freimaurerischen Welt Italiens, stellt sich unser Ritus als ein abgeschlossenes und vollkommenes initiatisches System vor, mit einer Besonderheit, die eine logische, originelle und wesentliche Folgerichtigkeit aufweist. Wie im schottischen Ritus, besteht unser Korpus sowohl aus einem Orden (die ersten drei Grade der Lehrlinge, der Gesellen und der Meister), wie auch, zur Vertiefung der esoterischen und operativen Aspekte, aus einem Ritus (philosophische Leiter der höheren Grade).

  
Figura: Darstellung der “Ars Magna generalis”
von Raimundus Lullus: Diagramm der göttlichen Eigenschaften.

Bei der Unterzeichung der Vereinbarung zwischen dem Grossorient Italiens (Palazzo Giustiniani) und unserem Ritus, wurden unsere Ritualien der traditionellen unteren drei Grade dem Grosslehramt des Grossorients übergeben und von Grossmeister gutgeheissen. Am ersten Februar 1982 gestattete der damalige Grossmeister des Grossorients Italiens (Palazzo Giustiniani) Enzo Battelli mit einem offiziellen Brief an den Grosshyerophanten Francesco Brunelli, den Logen, welche es ausdrücklich und formell verlangen, in den unteren drei Graden nach den Ritualien des memphischen-misraimischen Ritus zu arbeiten.

Auch unser Korpus beginnt also mit den Graden der Lehrlinge, der Gesellen und der Meister und vervollkommnet sie durch den Ritus. Gerade die ausserordentliche Kraft der Ritualien, die Tiefe und echte Reinheit der Überlieferung und ihre fortschreitende Entfaltung können den Bruder bis zu den höchsten schwindelerregenden Errungenschaften der Einweihung führen, wenn er wirklich mit Standhaftigkeit, Ausdauer und Strege den memphischen-misraimischen Weg verfolgt.

Die Tätigkeit der Brüder, die nach unseren Ritualien arbeiten, ist streng innerlich und geistig. Jeder nach Wahrheit strebende Mensch muss seinen eigenen inneren Tempel bauen, und den Sinn der Verwandlungen, die zum “Grossen Werk” führen, als dessen Grundlage betrachten. Die Belehrungen bezwecken die Übereinstimmung der rituellen Formeln mit dem geistigem Inhalt, nach dem uraltem Wissen und den traditionellen Regeln. Das Ziel ist die Erreichung einer wirklichen, effektiven Einweihung, einer lebendigen konkreten Initiation, zur Ehre des Grossen Baumeisters des Universums. 
Schon im ersten Grad zeigt sich, dass der Alte und Ursprüngiche Ritus von Memphis und Misraïm im lebendigen Strom der abendländischen initiatischen Tradition verankert ist; sie bewahrt sowohl die rosenkreuzischen Gipfel der Gnosis, wie auch die hermetischen, philosophischen, esoterischen Systeme der uralten ägyptischen Hierophanten und der Priester von Mitras. Deswegen bildet eine Loge, die mit unseren Ritualien arbeitet, eine wirkliche lebendige Kette, die alle diese uralten Überlieferungen verbindet.

GESCHICHTLICHER ABRISS

Der Alte und Ursprüngliche Ritus von Memphis und Misraïm (A:.U:.R:.M:.M:.) ist das Ergebnis einer komplizierten Verschmelzung des Ritus von Misraïm, der 1801 in Venedig vom Filaleten Abraham geschaffen wurde und sich sofort in Italien und Frankreich ausbreitete, mit dem Ritus von Memphis (oder vom Orient), der 1839 in Paris von Etienne Marconis gegründet wurde. Marconis bildete die misraimischen Grade um, mit Einbeziehung von Ritualien und Initiationen orientalischer Art.

“Mizr” bedeutet auf hebräisch Ägypten; deswegen wird der misraimische Ritus auch ägyptischer Ritus genannt; das hat oft Verwechslungen mit der ägyptischen Freimaurerei von Cagliostro hervorgerufen; letztere ist aber von unserem Ritus grundverschieden.
Im Jahr 1881, dank der Einwirkung des berühmten Giuseppe Garibaldi (Souveräner Grossmeister, Grosskomtur, Grosshyerophant des Ritus), wurde die Vereinigung der zwei Riten von Misraïm und Memphis durchgeführt.
Unser Ritus entstand also nach der französischer Revolution, mit einer Struktur, die in einem einzigen rituellen Korpus das zweifache illuministische und freimaurerische System wiedergibt, und beide Überlieferungen, die morgenländische und die abendländische, bewahrt.
Die geschichtlichen und kulturellen Umstände unterscheiden ihn gründlich von den anderen freimaurerischen Riten. Dem Illuminismus verdanken wir die Menschenliebe, die soziale Sensibilität, die Achtung der individuellen und kollektiven Freiheit; das sind Werte, die jeder Suchende haben sollte, bevor er das freimaurerisches Licht bekommt; dazu kommen dann unsere weitere Zielsetzungen.


Figure: Marc Bedarride,
Verbreiter des Ritus von Misraïm.



Giuseppe Garibaldi,
Einiger der Riten von Memphis und Misraïm.

 
  

KENNZEICHNENDE EIGENTÜMLICHKEITEN DES A:.U:.R:.M:.M:. RITUS

Der Ritus von Memphis und Misraïm ist mit dem Grossorient von Italien übereingekommen und hat die Form eines rituellen freimaurerischen Korpus angenommen.

Da sich unser Ritus der initiatischen freimaurerischen Spiritualität widmet, benötigt er eine einheitliche Leitung, und hat infolge ihres Wesens eine Struktur, welche die Entscheidungsmacht der Führungsspitze überlässt.

Deswegen ist der Souveräner Grossmeister, Grosskomtur, Grosshyerophant des Ritus auf Lebenszeit, und er selbst überträgt das Amt seinem Nachfolger.

In unserem Ritus gibt es keine Wahlen. Nicht nur der Grossmeister bestimmt direkt seinen Nachfolger; auch die unteren Gewalten und Ämter werden von den Führungskräften direkt den verdienstvolleren Meistern verliehen. Auf dieser Weise ist die Einweihung nicht virtuell sondern effektiv, weil die Machtübertragung, auch die Initiation, immer direkt nach der Überlieferung geschieht. Die Formel “kraft der mir verliehenen Vollmacht” bedeutet im Ritus nicht “auf Grund meines durch die Wahl erlangten Amts”, sondern “kraft der mir direkt von meinem Vorgänger übertragenen Vollmacht”.


Figure: Hiram vor den Tempelsäulen,
mit den Werkzeugen der Baukunst.
          

Grundlegende Eigentümlichkeit des Ritus ist seine zutiefst deistische und geistige Natur. Wesentliche und klar anerkannte Prinzipien des Ritus sind die Ewigkeit des Geistes und die Unsterblichkeit der Seele, oder jedenfalls ein Überleben nach dem Tod.

Die Forschungsbereiche des Ritus betreffen:
- Studien über die Freimaurerei;
- Erforschung der Naturgesetze und der im Menschen verborgenen Fähigkeiten;
- Untersuchung der geistigen und sakralen Werte in der Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Religion und den übrigen Bereichen;
- Nachforschung über die wesentlichen Elemente der verschiedenen Traditionen


    Figura: Das “ugiat” (geheiltes) Auge, über dem Goldzeichen ”neb”;
    Gold galt als Symbol der Unzerstörbarkeit der Götter.

Der Ritus von Memphis und Misraïm besteht aus folgenden Graden:

  • aus den drei ersten symbolischen Graden (Lehrlinge, Gesellen, Meister), die nach der Vereinbarung dem Grossorient von Italien unterstehen;
  • aus den philosophischen-kabbalistischen Graden, vom 4. bis zum 33.; man lernt dabei die Geschichte der Philosohie und der Wissenschaft und man forscht nach den Ursachen und Ursprüngen;
  • aus den gnostisch-hermetischen Graden, vom 33. bis zum 90.; man arbeitet gewöhnlich nur im 66. Grad;
  • aus den hermetischen Graden, vom 90. bis zum 95.; man widmet sich der hohen Philosophie und einer höheren inneren Arbeit; man studiert die religiösen

Mythen der verschiedenen Menschheitsepochen. Zweck des Ritus ist es, den Eingeweihten die traditionellen Hilfsmittel für ein geistiges individuelles Wachstum darzubieten.

In den rituellen Kammern fusst die freimaurerische Arbeit auf dem universellen Prinzip der bewussten, geistigen, freiwilligen Kollaboration; sie schafft die Voraussetzungen, um positive Wirkungen geistiger Natur innerhalb und ausserhalb des Ordens, also im ganzen Universum zu erwecken. Die Auswirkungen dieser geistigen Werte auf alle Wesen beweisen, dass der Endzweck des Ritus erreicht wurde.


Figura: Raimundus Lullus:
Die Leiter des Aufstiegs und des Abstiegs.

Verpflichtung und Hauptaufgabe des Ritus ist also die Entfaltung des Einzelnen durch die initiatische Schulung; zu Recht kann man deswegen den Ritus als “operativ” bezeichnen.

In Bezug auf diese Schulung, auf diese initiatische Ausbildung, sind die Erkenntnisquellen, woraus wir, um uns zu erheben, schöpfen können, die Hilfsmittel, die uns geboten werden, um die Prüfung zu bestehen, vorwiegend folgende:

1) Vor allem der fleissige, ständige Besuch der im Tempel abgehaltenen Riten; wenn ein Ritus regelmässig, fortdauernd und richtig vollzogen wird, hat er schon von sich aus eine objektive Verwandlungswirkung.
Die von der fest zusammengefügten Brüderkette erzeugte Energie ist viel stärker als die Summe der einzelnen Energien; deswegen ist der ständige Besuch der Arbeiten von grundlegender Bedeutung.

2) Die Lehren und Arbeitsanweisungen, die jeder Bruder seiner Veranlagung und seinen Fähigkeiten anpassen soll. Im initiatischem Bereich im allgemeinen und in unserem Ritus insbesondere werden sozusagen keine fertigen Kleider ausgeteilt, sondern wird sozusagen nur ein Stoff gegeben, aus welchem jedermann nach der eigenen Grösse und mit der eigenen Geschicklichkeit sich ein Kleid schneidern soll.

3) Das Studium der Werke der grossen Eingeweihten. Es ist selbstverständlich, dass man sich fest bemühen muss, um ihre geheimnisvolle verschleierte Sprache zu ergründen.

 

Figura: Malatesta-Tempel in Rimini.
Der Baumeister Leon Battista Alberti schrieb:
“In den Tempeln, auch in den Mauern und im Fussboden, sollte kein Ding sein, das nicht ganz der Philosophie entspricht.”

 Mit dem Studium bezweckt der Eingeweihte nicht nur eine Gelehrsamkeit, wie der Profane tut. Er will in Bezug auf die technische und sozio-kulturelle Entwickung auf dem Laufenden bleiben, viel mehr aber neue Forschungswege, neue Denkanregungen suchen, um den Schleier, der die heiligen Bücher, die Legenden, die Sagen, die Mythen umhüllt, zu lüften.
Alle Werke der grossen Eingeweihten sind verschlüsselt und symbolisch geschrieben. Das Symbol ist an und für sich nicht sehr aussagekräftig; was es aber versinnbildet, ist viel wertvoller. Das Symbol ist ein Vermittler, der durch eine sinnliche Wahrnehmung auf eine viel höhere Wahrheit anspielt.

 


Figura:
Aus dem Buch “Die XXI Figuren des Philosophenrosenkranzes.” In den Schriftrollen liest man:
1. Solve et coagula.
2. Löse die Stoffe im Wasser.
3. Unser Stein hat Leib, Geist und Seele.
4. Koche, und du wirst finden, was du suchst.
5. Wer sich unseren vollkommenen Stein verschaffen will, muss zuerst das nächste Prinzip  vollenden.
  

4) Die Feststellung und Deutung der Merkmale unserer Zeit. Ein Eingeweihter sollte unbedingt die Zeichen seiner Zeit erkennen, sie interpretieren, sie qualitativ und quantitativ mit den gleichen Erscheinungen anderer geschichtlichen Epochen vergleichen. Dadurch erkennt er die erfolgte Veränderung der Sitten und Gebräuchen, der Moral, der Sittlichkeit, der ökologischen Werte, der Lebensbedingungen der Menschen.
Der Eingeweihte sollte sich nicht von der Problematik seiner Zeit entfremden, sonder ihrer bewusst sein und  versuchen, die Aussage  “Was geschehen muss, ist bereits geschehen” zu begreifen.

5) Die ununterbrochene Lesung des grossen Buchs, das man überall findet und nichts kostet, des Buchs der Natur. Es ist wohl überflüssig, auf die Wichtigkeit der Naturbeobachtung hinzuweisen. Wenn man die Natur in ihrer Ganzheit, ohne sie zu zergliedern, betrachtet, vernimmt unser Inneres direkt und spontan ihre Stimme, ohne künstliche Einschaltug der Vernunft.


Figure: Antikes ägyptisches Kleinod, das durch
den heiligen Käfer “Kephri”, die
aufgehende Sonne versinnbildet.


Die Göttin Maat, kosmisches Prinzip, absolute Odnung. Die Maat-Gerechtigkeit ist jene Kraft, die sich der Auflösung entgegensetzt, die Energie, welche die Eintracht unter den Brüdern fordert. Die Maat-Wahrheit ist das höchste geistige Bewusstsein der Menschen. Die Maat-Harmonie ist die richtige Haltung, das richtige Wort, das Gerechte an sich, was auch immer geschehen mag. Der gerechte Mensch trägt Maat in seinem Inneren.
   
Die Natur spricht zu uns durch Symbole. Um das “Ding an sich” zu begreifen, muss man von der Wahrnehmung der Sinnen zur Betrachtung seiner Gesamtheit übergehen und, nach dem hermetischen Grundsatz, in das Ding eindringen, sein Wesen ergründen, selbst das Ding werden. Also muss man über die materielle Wirklichkeit hinausgehen, sich zu der höheren Wissensebene, zur Erkenntnis erheben.

6) Endlich, um die Aufgabe des Ritus zu erfüllen, um seinen Hauptzweck, unsere Entwicklung und Entfaltung, zu verwirklichen, ist das wirksamste Hilfsmittel die Meditation. Man soll den Grundsatz nicht vergessen: “Esoterik wird nicht besprochen, sondern praktiziert, in die Tat umgesetzt.”
Die Erkenntnis, praktisches vom Esoteriker angestrebtes Ziel, besteht nicht in angelerntem Wissen, sondern in der “unmittelbaren anhaltenden Teilnahme am Prinzip”, in der Fähigkeit, eine unmittelbare Beziehung zwischen uns und dem Ganzen herzustellen.


Figure: Der Griff im Meistergrad;
der Zirkel liegt kreuzweise auf dem Winkel.

Der Mystiker erreicht diesen Zustand durch religiöse Handlungen, Fasten, Keuschheit; der Esoteriker durch innere Disziplin und beharrliche Forschungen, durch Übungen, die innerhalb der drei Bestandteilen seines Wesens, unter den physischen, psycho-animischen und intellektiv-spirituellen Komponenten eine vollkommene Ausgeglichenheit schaffen. Der Mystiker verlangt nach der Rettung seiner Seele und verwirklicht sich im Glauben; der Esoteriker befolgt die “königliche Kunst”, strebt nach der Befreiung, verwirklicht sich durch die Erkenntnis und die Tat.
In der esoterischen Schulung des Eingeweihten ist die Meditation eine wesentliche Übung. Wenn wir Eingeweihte eine Antwort auf die vermehrte Nachfrage nach Spiritualität, nach Esoterik und Übersinnlichkeit darstellen wollen, wenn wir behaupten, Bewahrer der Tradition zu sein, müssen wir die alten Überlieferungen kennen, sie wirkungsvoll verwerten und praktizieren.
In den Kammern versuchen wir, unsere individuelle Entwicklung durch eine aufmerksame und strenge Schulung, durch eine rituelle und initiatische Ausbildung im eben beschriebenen Sinn zu verwirklichen.

Figure:  Aus dem “Zoroaster”: das “Oruboros”, Symbol des kreisförmigen Ablaufs der Natur und der Einheit des Ganzen. Dazu der Kommentar: “Die Schlange verschlingt den Drachen und der Drache verschlingt die Schlange; die zwei bilden einen bebenden Kreis. In der Mitte steht der Lebensbaum; Paradies und Hölle sind der Preis dieses Kampfes, nach göttlichem Gesetz.”
 

 

Der “Rebis” im “Splendor Solis”. Das Kleid ist schwarz, ein Flügel weiss, ein Flügel rot; Anspielung auf die drei Hauptphasen des “grossen Werkes”; nigredo, albedo, rubedo.

 

    

WEITERE HAUPTAUFGABEN DES RITUS

1) Der Ritus von Memphis und Misraïm betrachtet als seine Hauptaufgabe die Wahrung und Weitervermittlung der alten initiatischen Tradition. Das geschieht durch die erleuchtete Arbeit der Eingeweihten in den sogenannten Kammern; in diesen symbolischen Räumen versammeln sich jene Brüder Meister, die sich bemühen, die virtuelle Initiation in eine reelle, wirkliche Initiation zu verwandeln. In den Kammern werden die Hilfsmittel der Kultur und der Erkenntnis, des Studiums, der Dikussion, der Operativität angewandt, um aus dem Chaos zur fortschreitenden Ordnung und zum Ergebnis zu kommen, um schritt- und stufenweise zur Wiedervereinigung des Ichs mit dem Sich, zur inneren und äusseren Harmonie des Ganzen zu gelangen.

2) Der Ritus versucht einen fruchtbaren Boden, reich an Anregungen für die Meister, zu bilden. Durch die innere Arbeit einzelner Brüder, die initiatisch gut ausgebildet sind und sich eifrig bemühen, werden andere Brüder angespornt, sich der Esoterik und der Spiritualität zu widmen; die Eingeweihten wirken wie ein Magnet und ziehen die besseren Brüder in ihren Bann.


  Der kabbalistische Lebensbaum,
mit der “unsichtbaren” Daat.

    

3) Der Ritus setzt sich ein, um das Wissensgut der Überlieferung vollständig zu bewahren, um die ursprüngliche esoterische Berufung der Freimaurer zu fördern, um den zukünftigen Meistern das Schriftum und den Geist der Tradition weiterzugeben. Nicht nur die Profanen, sondern auch manche Brüder haben das geschichtliche Bewusstsein verloren und sich gefährlich von den geistigen Werten entfernt. Es ist aber interessant festzustellen, dass in der letzten Zeit eine ganze Reihe akademischer Denker die Esoterik, das Heilige, das Irrationale wiederentdecken. Auch die Freimaurer sollten sich mit dieser Thematik fleissiger beschäftigen.

4) Um diese Ziele zu erreichen, versucht der Ritus eine extrem gehobene Kulturbasis zu schaffen. Die eingeweihten Meister sollten dank ihrer Anständigkeit und Kompetenz, dank ihrer einzigartigen geistigen Grösse auch in der profanen Welt auffallen und das Image der Freimaurerei hochhalten, besonders aber den Brüdern das Beispiel geben und im Grossorient Anerkennung finden. Bei den Arbeiten soll ihre Anwesenheit und ihr wertvoller Beitrag nicht geboten, aber gesucht werden. 

 

Figure: Der Pelikan der Rosenkreuzer ernährt den Nachwuchs mit dem eigenen Blut.


Aus dem “Zoroaster… Artis Clavis” (1238). Das alte arabische Werk wurde im 17. Jahrhundert von einem unbekannten Bruder der Rosenkreuzer abgeschrieben. Der Alchimist in orientalischen priesterlichen Gewändern spielt auf den Beitrag der persischen Weisheit bei der Entstehung der kirchlichen Kunst an.
  

5) Die Meister unseres ehrwürdigen Ritus sollten unter den Ordensbrüdern ihre einzigartigen Fähigkeiten und ihre geistige Energie spüren lassen, mit dem Wort und mit dem Betragen  ihnen die Möglichkeit und die Existenz einer effektiven Einweihung vor Augen führen.
Die Meister dieses Ritus sind zu einem Leben des strengen Studiums berufen. Ihre Forschung soll sich auf alle Themen erstrecken, welche die Menschheit betreffen. Von einer anfänglichen Analyse und einer korrekten Anschauung der Welt in allen ihren täglichen Komponenten ausgehend, sollten sie sich, in einer fortschreitender Sequenz, zu einem immer höheren Verständnis der Energien aufschwingen, welche in unaufhörlichem Wechsel das Weltall beleben und bewegen.
Die Studien sollten, von einer Phase der Geschichtskultur ausgehend, zu einer sozialen, politischen, philosophischen, religiösen und schliesslich theologischen Vertiefung fortschreiten.

In der Welt verficht der Ritus den Frieden als Endzweck und die Toleranz als Methode, in Übereinstimmung mit seinem Spruch: “Frieden, Weisheit, Wohlergehen für alle Wesen”.
Der Ritus setzt sich ein für die Verwirklichung der Dreiheit “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” überall auf der ganzen Welt. Nach Möglichkeit und nach den Umständen greift sie ein, um jede individuelle und soziale Ungerechtigkeit zu beseitigen, die den Durchbruch dieser Dreiheit verhindert, um jede Not zu lindern, um jeder materiellen, moralischen und geistigen Armut abzuhelfen, welche die Dreiheit hemmt.
Der Ritus setzt sich um die materielle, moralische und geistige Hebung und Besserung aller Wesen ein, für die Ausbreitung der freimaurerischen Ideale und der freimaurerischen Kultur, mit allen geeigneten kulturellen Hilfsmitteln (mit Seminaren, Tagungen, Kongressen, Podiumsdikussionen, Lehrkursen und so weiter), die diesen Zielen entsprechen, in Mitarbeit mit Einrichtungen und Vereinen, die eine ähnliche Zielsetzung haben.

 

 

Bibliographie

Riffard, O.A., L’esoterismo. Rizzoli, Milano 1996.
Brunelli, F., Hrsg., Grandi Costituzioni e regolamenti Generali dell’Ordine Massonico Orientale del
Rito Antico e Primitivo di Memphis e Misraim. Bastogi,  Foggia 1982.
Brunelli, F., Hrsg., Rituale dei Gradi Simbolici della Massoneria di Memphis e Misraim. Bastogi, Foggia 1981.
Pessoa, F., Pagine Esoteriche. Adelphi, Milano 1997.
Jacq, Ch., L’architetto. Oscar Mondadori, Milano 2001.
Fiche, J.G., Filosofia della Massoneria. Bastogi, Foggia 1995.
Nerval de, Gerard, Viaggio in Oriente. Einaudi, Torino 1977.
Ambelain, Robert, Franc maçonnerie d’autrefois. Robert Laffont, Paris 1988.
Schwaller de Lubicz, Il tempio nell’uomo. Mediterranee 2003.
Hesse, Hermann, Pellegrinaggio in Oriente. Adelphi, Milano 1973.

Wir hoffen, dass die Brüder Meister, nachdem sie durch dieses Buch die hohen Ziele des Ritus von Memphis und Misraïm  kennengelernt haben, ihm zahlreich beitreten, um ihre Initiation zu vervollständigen und um den Bauplan des Ritus mitzugestalten.

Internet-Site unseres Ritus: www.memphismisraim.it
E-Mail des Grosssekretariats:  aprmm.gransegreteria@libero.it

 


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